Bildungsgipfel 2023: „Bildung endlich zur gemeinsamen Chefsache erklären“

Bildungsgipfel 2023: „Bildung endlich zur gemeinsamen Chefsache erklären“
Am Dienstag, 14. März 2023, hat Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) zu einem Bildungsgipfel in Berlin eingeladen. Geplant war ursprünglich ein Spitzentreffen, auf dem Bund, Länder und Kommunen gemeinsam Lösungen für die großen Herausforderungen in der Bildung diskutieren sollten. Doch aus dem großen Gipfel ist nun eine dreistündige Veranstaltung am Rande einer Tagung geworden, der die meisten Bildungsministerinnen und Bildungsminister ferngeblieben sind. Immerhin gab es eine Absichtserklärung: Es soll eine Taskforce Bildung eingerichtet werden.

Hinweis

Dieser Artikel von Annette Kuhn wurde anlässlich der ersten Veröffentlichung des Appells für einen Nationalen Bildungsgipfel am 14. März 2023 auf dem Deutschen Schulportal veröffentlicht (https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/bildung-endlich-zur-gemeinsamen-chefsache-erklaeren/). Wir bedanken uns bei der Redaktion des Deutschen Schulportals für die Erlaubnis, den Beitrag hier zu veröffentlichen!
Die Veranstaltung sorgte schon im Vorfeld für viel Kritik

Ein breiter Kreis aus 50 Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften appelliert an den Bundeskanzler und die Länderchefinnen und Länderchefs, mit einem größer gedachten Nationalen Bildungsgipfel einen grundlegenden Reformprozess im Bildungswesen einzuleiten.

Drei Stunden. So viel Zeit hatten Vertreterinnen und Vertreter von Bund, Ländern, Kreisen, Kommunen, Wissenschaft und Verbänden, um über die großen Themen Zusammenarbeit von Bund und Ländern, Bildungsgerechtigkeit und Lehrermangel zu diskutieren. Drei Stunden im Rahmen der zweitägigen Bildungsforschungstagung „Chance Bildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. So viel war also geblieben von dem bereits im Koalitionsvertrag der Bundesregierung Ende 2021 angekündigten Bildungsgipfel, der eine Verständigung auf „neue Formen der Zusammenarbeit und gemeinsame ambitionierte Bildungsziele“ zum Ziel haben sollte.

Wie groß das Thema eigentlich ist, hatte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) schon am Wochenende gegenüber „Bild am Sonntag“ betont: „Das deutsche Bildungssystem steckt in einer tiefen Krise, die uns alle betrifft.“ Bei ihren Eingangsworten zum Auftakt des Gipfels unterstrich sie diese Dringlichkeit noch mal: „Wir sind nicht da, wo wir sein müssen und sein wollen.“ Die soziale Spaltung sei nach wie vor groß, und der Bildungserfolg von der sozialen Herkunft abhängig. „Wir müssen das Aufstiegsversprechen in unserer Gesellschaft erneuern.“ Geld sei dabei wichtig. Das Problem lasse sich mit Geld allein aber nicht lösen. Es komme vor allem darauf an, das Geld zielgerichtet einzusetzen. Dabei betonte sie: „Das Prinzip Gießkanne muss der Vergangenheit angehören.“

Viele Länder haben Teilnahme am Bildungsgipfel abgesagt

Es sind Sätze, die man nicht zum ersten Mal gehört hat. Auch die Feststellung der Bundesbildungsministerin, dass man eine neue Form der Zusammenarbeit brauche, ist nicht neu. Sie schlug auf dem Bildungsgipfel eine Arbeitsgruppe vor, eine Taskforce Bildung, in der Bund, Länder, Kommunen und Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft Vorschläge für eine bessere Zusammenarbeit entwickeln sollen. Auch das ist nicht ganz neu, denn eine solche Arbeitsgruppe ist bereits im Koalitionsvertrag genannt.

Wie die neue Zusammenarbeit aber konkret aussehen und überhaupt in Gang kommen kann, blieb allerdings auch nach den drei Stunden mit Inputs und Diskussionsrunden unklar. Konkretes gab es nicht, die Taskforce Bildung ist erst mal ein Angebot. Es bleiben Zweifel, ob sich das Credo von Bettina Stark-Watzinger – „Es ist wichtig, dass wir jetzt gemeinsam starten“ – mit Leben füllen wird. Zwar haben alle Beteiligten auf dem Bildungsgipfel die Notwendigkeit für einen Konsens unterstrichen, Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) fragte auf dem Podium allerdings: „Wie kommen wir dahin?“ Zusammenarbeit sei kein Selbstläufer, sondern vor allem Arbeit, die nicht vom Gerangel um Kompetenzen blockiert werden dürfe. Hoffnung auf schnelle Lösungen machte er allerdings nicht: „Wir sitzen vielleicht nicht in einem Rennwagen, sondern in einem VW Golf, aber er würde fahren, wenn jeder seine Arbeit macht.“

Stiftungen richten Appell an den Bundeskanzler

Schon im Vorfeld gab es laute Zweifel am Erfolg des Bildungsgipfels, und es war von „Gipfelchen“ und Bildungshügel die Rede. Alle CDU-regierten Bundesländer hatten ihre Teilnahme bereits im Februar abgesagt und schickten nicht einmal ihre Staatssekretärinnen und Staatssekretäre. Alexander Lorz (CDU), Kultusminister in Hessen und Koordinator der B-Länder, also der CDU-regierten Länder, kritisierte gegenüber Bildung.Table einen Tag vor dem Bildungsgipfel vor allem, dass die Bundesbildungsministerin die Länder bei der Planung außen vor gelassen habe: „Weder der Termin noch Format und Inhalte waren mit uns abgesprochen. Schon in der Planung hätte die Ministerin alle Akteure an einen Tisch holen müssen, dann hätte man inhaltliche Pflöcke einschlagen können.“

Kritik kam vorab auch von anderer Seite: Vor dem Start des Bildungsgipfels hat ein breiter Kreis aus 50 Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften einen Appell an den Bundeskanzler und die Länderchefinnen und Länderchefs gerichtet. Sie fordern einen Nationalen Bildungsgipfel, bei dem alle wesentlichen Akteurinnen und Akteure in der Bildung an einen Tisch gebracht werden und einen Neustart in der Bildung einleiten.

„Die Lösung der massiven Probleme im deutschen Bildungssystem duldet keinen weiteren Aufschub“, heißt es in dem Appell, den Bertelsmann Stiftung, Deutsche Telekom Stiftung, Karg-Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Vodafone Stiftung und Wübben Stiftung initiiert haben. „Ein Nationaler Bildungsgipfel wäre das starke Signal, die Bildung endlich zur gemeinsamen Chefsache zu erklären“, heißt es in der gemeinsamen Mitteilung. Es sei höchste Zeit, dass sich Bundeskanzler Olaf Scholz und die Länderchefinnen und Länderchefs dem Thema Bildung annehmen.

Neue Kultur der Zusammenarbeit gefordert

Ein Treffen am Rande einer Forschungstagung ist den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern viel zu wenig. Dafür seien die Themen viel zu groß und die Probleme zu dringlich. Angesichts des eklatanten Lehrermangels, des dramatischen Leistungsrückgangs bei den Schülerinnen und Schülern und der sich weiter verschärfenden Bildungsungerechtigkeit erwarten die Stiftungen mehr Einsatz bei der Korrektur von Fehlentwicklungen. Es sei „erforderlich, jetzt die Weichen für ein leistungsfähigeres, begabungs- und chancengerechteres Bildungssystem zu stellen“.

Um das zu erreichen, fordern die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Appells auch eine „neue Kultur der Bildungszusammenarbeit sowohl zwischen Bund, Ländern, Kommunen und den jeweils beteiligten Ressorts, als auch mit den Trägern“. Die sei zwar im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt worden, bislang aber nicht umgesetzt.

Im Appell heißt es außerdem, dass der Nationale Bildungsgipfel keine singuläre Veranstaltung sein dürfe, sondern dass er der „Auftakt zu einem kontinuierlichen Dialog- und Reformprozess mit gemeinsamen Arbeitsstrukturen markieren“ sollte.

Eine dreistündige Veranstaltung könne dieser Forderung kaum gerecht werden. Im Ohr bleiben nur viele Beteuerungen. Von denen es die von Wiebke Maibaum, Generalsekretärin der Bundesschülerkonferenz, am besten auf den Punkt brachte: „Das ist kein Einzelkampf, sondern ein Teamsport.“